Aussenrenovation pfrundhaus,
6315 oberägeri
Baumanagement B+B Planer AG, Oberägeri
Bauherrschaft Kirchgemeinde Oberägeri
Aufgaben Bauprojekt, Ausschreibung, örtliche Bauleitung
Baukosten 80'000.-
Baubeginn Sommer 2020
Fertigstellung Sommer 2020
Text aus dem Jahrbuch des Staatsarchiv des Kantons Zug, TUGIUM 37-2021
Oberägeri, Pfrundhaus, Hauptstrasse 7: Aussenrenovation
Das unter Bundesschutz stehende Pfrundhaus ist ein identitätsstiftendes, ortbildprägendes und wichtiges Gebäude für Oberägeri und das besterhaltene sowie stattlichste Haus aus dem Spätmittelalter im Kirchenbereich des historischen Dorfkerns. Es wurde 1611 unter Weiterverwendung des Sockelgeschosses anstelle eines kleineren Vorgängerbaus aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts neu gebaut. Im Keller enthält es nicht nur einen sehr schönen, hohen rustikalen Raum, sondern auch ein sorgfältig behauenes gotisches Spitzbogenportal, das gleich gestaltet ist wie die zeitgleichen Chorbogen und Fenster der Pfarrkirche. Der ausserordentlich grosse, zweigeschossige und zur Strasse giebelständige Blockbau mit seitlicher Laube und Auskragung gehört zu den ersten Profanbauten der Gegend mit einem spitzen Giebeldach. Das Pfrundhaus besitzt eine weitgehend aus dem frühen 17. Jahrhundert stammende, wohlerhaltene Gebäudestruktur, an der Zierfriese, profilierte Balken, Balkenköpfe und Türpfosten von der hohen Handwerkskunst jener Zeit zeugen. Der ursprüngliche Grundriss war zwei Stuben breit und zwei Räume tief mit durchlaufendem Quergang rechtwinklig zum First. Das Hinterhaus besitzt mit nur ca. 2,8m gegenüber dem Vorderhaus eine weit geringere Raumtiefe. Das Obergeschoss zählt im Vorderhaus drei und im Hinterhaus zwei Kammern. Das ursprünglich als Pfarrhaus errichtete und später als repräsentatives Wohnhaus der Kaplan genutzte Gebäude nahm ab 1730 auch eine Schulstube auf. Im Saal steht noch der Kachelofen mit reizvollen Malereien aus zwei Phasen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit biblischen Darstellungen. Bis 1837 existierte offenbar noch die offene Rauchküche. Wahrscheinlich um 1847 übernahmen die Menzinger Lehrschwestern das Gebäude und den Unterricht. Beim Umbau von 1990 wurden im grossen Saal des Erdgeschosses eine gotische gekehlte Bohlenbalkendecke entdeckt und wieder sichtbar gemacht sowie die ursprüngliche Fenstereinteilung mit zwei vierteiligen Reihenfenstern im Erdgeschoss und meist zu zweien gekoppelten Fensteröffnungen in den übrigen Geschossen und auf der Rückseite des Hauses. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ausser der erwähnten gotischen Balkendecke noch weitere schön gestaltete Elemente unter jüngeren Verkleidungen verdeckt sind.
In der nun erfolgten Sanierung der Gebäudehülle wurde die würdevolle Erscheinung des geschichtsträchtigen Hauses wiederhergestellt. Dabei wurden der gemauerte Sockel sanft aufgefrischt, der Entwässerungsgraben vor dem haus wiederhergestellt, die morschen Holzteile denkmalgerecht geflickt und ergänzt, zwecks Feuchtigkeitsrückhalt und zum Schutz der historischen Bausubstanz auf raffinierte Weise ein schmales wasserableitendes kaum wahrnehmbares Kupferblech unter der Holzschalung des Anbaus eingefügt, defekte Dachziegel durch gleichwertige ersetzt und die gesamte Fassade nach historischem Bestand farblich neu gefasst. Eine beschädigte Türe aus den 1990er-Jahren, die ersetzt werden musste, wurde – soweit möglich und zweckmässig – material-, fach- und stilgerecht aus Vollholz wieder einer bauzeitlichen nachempfunden, um auch auf diese Weise für Baukulturgeschichte weiterzuerzählen. Das nicht nur für Oberägeri, sondern für den ganzen Kanton äusserst kostbare Haus hat die sorgfältige Restaurierung mehr als verdient.
GS-Nr. 282, Ass-Nr. 91a
Amt für Denkmalpflege und Archäologie: Oliver Tschirky.
Planung: B+B Planer AG, Oberägeri.
Literatur: DKM ZG NA Bd. 1, 285 f. – Tugium 7, 1991, 45-47
Titelbild
Oberägeri, Pfrundhaus, Hauptstrasse 7. Heute eher unscheinbar, damals ein wichtiges, repräsentatives Haus, das mit der Pfarrkirche und den umliegenden Gasthäusern das gesellschaftliche Zentrum von Oberägeri bildete.